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Interview mit der Ernähungsberaterin Emina Zelle

In einem Interview bezüglich der nada-Kampagne "Alles geben! Nichts nehmen" für einen sauberen Sport hat Dr. Friedemann Schneider die Ernährungsberaterin Emina Zelle zum Thema Gewichtmachen und Nahrungsergänzungsmittel befragt: 

1. Hallo Emina, Gewicht machen gehört bei vielen Judoka einfach dazu, hast du als Ernährungsberaterin eine Empfehlung, wie das am besten gehen könnte?

Unter dem Begriff „Gewicht machen“ versteht man eine gezielte Reduzierung des Körpergewichts zur Leistungssteigerung. Dafür ist immer eine negative Energiebilanz notwendig, d.h. unser Körper muss etwa 7.000 kcal verbrauchen, um 1 kg überschussiges Körperfett zu verbrennen. Das ist nicht wenig und passiert nicht über Nacht. Deswegen lautet mein Rat für eine gesunde Gewichtsreduktion: Abnehmen sollte man planen und sich von einer Ernährungsfachperson idealerweise begleiten lassen. Nach Empfehlung der österreichischen Gesellschaft für Ernährung sollte das Kaloriendefizit 500 kcal/Tag nicht überschreiten. Eine Differenz von 500 kcal/Tag ergibt 3.500 kcal/Woche, was einem Verbrauch von etwa 0,5 kg überschussigen Körperfetts pro Woche entspricht. Jede Reduzierung der Kalorienzufuhr, die darüber hinausgeht, kann der Gesundheit schaden. Zudem arbeitet der Körper dann im Notfallmodus und minimiert den Fettverlust, was kontraproduktiv ist. Grundsätzlich darf nie aus den Augen gelassen werden, dass eine bedarfsangepasste und vollwertige Ernährung die wichtigste Grundbedingung für Gesundheit, Leistung und Wohlbefinden ist. Dementsprechend wichtig ist beim Abnehmen die Auswahl der richtigen Lebensmittel und die Änderung des eigentlichen Essverhaltens. Kohlenhydrate sollten auch während einer Gewichtsreduktion mit mind. 50% den Hauptanteil an der täglichen Energiebereitstellung ausmachen. Dabei sollte allerdings wenig Zucker und dafür mehr an stärkereichen Lebensmitteln wie Vollkornbrot, Reis, Nudeln und Kartoffeln verzehrt werden. In der Sporternährung haben zudem Proteine einen hohen Stellenwert. Hier ist zu beachten: Während die Zufuhrempfehlung für die tägliche Ernährung von Erwachsenen bei 0,8 bis 1,0 g/kg Körpergewicht liegt, gelten für Leistungssportler:innen höhere Werte von 1,5 bis 1,7g/kg Körpergewicht. Eine zusätzliche Eiweißgabe ist nicht erforderlich. Viel wichtiger ist die Kombination von tierischen und pflanzlichen Proteinen, weil wir damit auch die biologische Wertigkeit steigern. Der tägliche Fettverzehr schließlich sollte bei Sportlern 20% der täglichen Energiemenge nicht überschreiten.

2. Wie wichtig ist dabei das „Kalorienzählen“?

Kalorien beziffern die Energie, die der Körper benötigt, um Arbeit zu leisten. Wenn wir abnehmen wollen, müssen wir weniger Energie aufnehmen, als wir verbrauchen. Man spricht von einer negativen Energiebilanz, die im Falle einer Diät über eine längere Periode aufrechterhalten wird. Kalorienzählen kann dabei helfen, die eigenen Ernährungsmuster zu erkennen und den Soll-Ist-Zustand zu erheben. In Kombination mit einem Ernährungsprotokoll kann man Abweichungen erkennen und schnell korrigieren. Eines muss aber klar sein: Wir Menschen sind nicht alle gleich! Was für den einen eine gute Methode ist, führt andere nicht automatisch zum Erfolg. Wichtig ist, dass man einen Weg findet, der funktioniert und mit den man sich wohl fühlt, egal ob man dabei Kalorien zählt oder nicht.

3. Und wenn es schnell gehen muss?

Der Wunsch nach einer rapiden Gewichtsreduktion ist bei Sportarten wie Boxen und Judo weit verbreitet. Fasten, Crash-Diäten, Missbrauch von Abführmitteln und Entwässerungstabletten sowie selbst herbeigeführtes Erbrechen sind hier teils gelebte Praxis und können zu gefährlichen Flüssigkeitsverlusten führen. Das kann ernste gesundheitliche Probleme, Essstörungen und im schlimmsten Fall den Tod der Athlet:innen zur Folge haben. Eine zeitgerechte Planung mit Unterstützung durch eine Ernährungsfachpersonen ist sicher der beste Weg, um langfristig ein gesundes „Kampfgewicht“ zu halten.

4. Ab wann wird das Ganze ungesund?

Für die menschliche Leistungsfähigkeit ist der Wasser- und Elektrolythaushalt von besonders großer Bedeutung. Bereits geringfügige Wasserverluste wirken sich schnell auf die Leistung aus. Richtig gefährlich wird es, wenn extreme Saunaanwendungen oder eine Kombination von harntreibenden Diuretika mit Abführmitteln eingesetzt werden. Im schlimmsten Fall kann es zu Herzrhythmusstörun-gen und zum Herztod kommen.

5. Was sollten Athleten und Athletinnen direkt vor dem Wettkampf zu sich nehmen? Was gibt am meisten Kraft?

Bei intensiven Zweikampfsportarten wie Judo oder Karate werden die Glykogenspeicher der Arbeitsmuskulatur schnell aufgebraucht. Für eine optimale Leistungsfähigkeit im Wettkampf stellen deshalb Kohlenhydrate die wichtigste Energiequelle dar. In der Regel beginnt die ernährungstechnische Vorbereitung ca. eine Woche vor dem Wettkampf. In diese Phase empfiehlt sich eine fettreduzierte, kohlenhydratreiche Kost (ca.60-65%) und eine Eiweißversorgung von ca. 2 g/kg Körpergewicht/Tag. Die letzte Mahlzeit sollte 3 Stunde vor dem Wettkampf gegessen werden. Dabei ist es wichtig, keine unbekannten Speisen zu sich zu nehmen, sondern nur erprobte Zutaten zu wählen. Idealerweise besteht die Mahlzeit aus leicht verdaulichen Nahrungsmitteln wie Nudeln mit Tomatensauce, Reis mit Hühnerfleisch, Bananen mit Joghurt und Haferflocken. Die Portionen sollten klein gehalten werden (ca. 400 kcal). Für den Fall, dass Athlet:innen unmittelbar vor dem Wettkampf Hunger verspüren, empfehlen sich Snacks, die in kleinen Schlucken bzw. Portionen konsumiert werden. Geeignet sind isotonische Sportgetränke, Kohlenhydrat-Gels, Sportriegel mit Flüssigkeit, aber auch reife Bananen. Um Völlegefühl, Blähungen oder andere Darmbeschwerden zu vermeiden, sollte man sich beim Essen unbedingt Zeit lassen und gut kauen, zu heiße oder kalte Getränke sind zu vermeiden.

6. Spielen aus deiner Sicht Nahrungsergänzungsmittel eine Rolle im Sport?

Viele Sportler:innen glauben, dass sie ihren Energie- und Nährstoffbedarf nur mit der Unterstützung von Nahrungsergänzungsmitteln (kurz NEM) decken können. Und es kann tatsächlich vorkommen, dass ein Mangel an bestimmten Mikronährstoffen wie Magnesium, Calcium, Natrium, Eisen und Zink besteht. Der Einsatz von NEM macht jedoch nur dann Sinn, wenn die Versorgungssituation mit einem Nährstoff kritisch ist oder wenn ein nachgewiesener Mangel vorliegt. Meine Meinung ist, dass eine Optimierung der Ernährung immer Vorrang vor einer Supplementierung haben sollte!

7. Wie können sich Athleten versichern, dass NEM, die sie einnehmen sauber sind und nicht zu einer positiven Dopingprobe führen?

NEM werden meist als völlig unbedenklich eingeschätzt. Leider kann das ein Irrtum sein. Im Sport sorgen ungereinigte NEM immer wieder für böse Überraschungen durch positive Ergebnisse bei Dopingkontrollen. Um dies zu verhindern, gilt es einige Regeln zu beachten: NEM sollten nur nach Feststellung des tatsächlichen Bedarfs im Rahmen einer ernährungswissenschaftlichen und medizinischen Abklärung eingenommen werden. Zudem muss eine qualifizierte Kontrolle und Steuerung erfolgen. Falls tatsächlich ein Mangel an einem oder mehreren Wirkstoffen festgestellt wird, so sollten nur Produkte verwendet werden, die von einem unabhängigen Labor getestet wurden (Anm.: Beispielsweise mit der Kölner Liste®). Auch vom Erwerb aus unsicheren Quellen ist natürlich abzuraten.

8. Welche Tipps würdest du Athleten und Athletinnen geben, die eine bestimmte Diät bevorzugen? Beispielweise vegetarisch oder vegan leben?

Wenn man von einer vegetarischen Ernährung spricht, muss man die verschiedenen Formen unterscheiden: Die Ovo-Lakto-Vegetarier:innen verzichten auf Fleisch und Fisch, während die Lakto-Vegetarier:innen noch zusätzlich Eier meiden und die Ovo-Vegetarier:innen auch auf Milch und Milchprodukte verzichten. Bei sorgfältiger Planung ermöglich alle diese Ernährungsformen eine bedarfsangepasste Versorgung. Aus gesundheitlicher und leistungsphysiologischer Sicht ist jedoch ein bewusster Fleischkonsum keineswegs abzulehnen. Seefisch ist mindestens einmal wöchentlich zu empfehlen, um die Jodversorgung zu sichern. Anders sieht es bei veganer Ernährung aus, die auf jede Zufuhrt von tierischen Lebensmitteln verzichtet. Bei dieser Form der Ernährung kann es leicht zu Mangelerscheinungen kommen. Calcium, Vitamin B12, Vitamin D, Eisen, Jod, Zink, Selen und Proteine stehen dabei im Vordergrund. Damit tatsächlich die positiven Effekte der rein pflanzlichen Ernährung überwiegen, empfiehlt sich ein exakt abgestimmter Speiseplan, der eine balancierte Versorgung mit ausreichend Energielieferanten, Vitaminen und Mineralstoffen sicherstellt. Zudem sollte die aufgenommene Energiemenge im Auge behalten werden. Da pflanzliche Nahrungsmittel im Allgemeinen eine geringere Energiedichte als tierische haben, empfiehlt es sich, mehrere Mahlzeiten und Zwischenmahlzeiten mit ausreichender Kalorienzufuhr einzuplanen. Auch bei der Versorgung mit Proteinen gibt es für vegan lebende Sportler:innen einiges zu beachten, da pflanzliche Eiweiße meist eine geringere biologische Wertigkeit haben. Um ein möglichst breites Spektrum an essenziellen Aminosäuren abzudecken, ist es daher besonders wichtig auf eine große Vielfalt an pflanzlichen Proteinquellen und insgesamt eine höhere Proteinmenge zu achten. Veganen Hochleistungssportler:innen wird deshalb empfohlen, täglich zwischen 1,4 und 1,7 Gramm Protein pro Kilogramm Körpergewicht zu konsumieren. Ein weiterer wichtiger Punkt bei vegetarischer und veganer Ernährung ist die ausreichende Versorgung mit Eisen: Auch wenn die Gesamtmenge an Eisen in pflanzlicher Nahrung nicht niedriger sein mag als in tierischer, liegt es in einer anderen Form vor und wird nicht im gleichen Maße vom Körper aufgenommen. Die Absorptionsrate von Eisen aus pflanzlichen Quellen ist also geringer, sie kann aber durch die gleichzeitige Einnahme von Vitamin C erhöht werden. Das gilt auch für die Aufnahme von Zink, einem Mineralstoff, den Leistungssportler:innen unter Anstrengung in großen Mengen verlieren. Um die Bioverfügbarkeit von Zink aus pflanzlichen Lebensmitteln weiter zu erhöhen, ist es ratsam, ungesäuertes Vollkornbrot zu bevorzugen sowie Körner, Nüsse und Samen vor dem Essen oder Kochen in Wasser einzuweichen. Zu den kritischen Nährstoffen zählt Vitamin B12. Während Vegetarier:innen über Milchprodukte oder Eier gut versorgt sein können, sind für Veganer:innen entsprechende Supplemente unerlässlich! Weiters gilt es – wie bei alle Kostformen – auf einen guten Vitamin-D-Status zu achten. Mögliche Mängel müssen im Rahmen eines Blutbildes festgestellt und mit dem behandelnden Arzt abgeklärt werden.

9. Und hast du für uns alle vielleicht noch eine Empfehlung, die du uns mitgeben möchtest?

Wenn wir unseren Körper mit einem Motor vergleichen, dann ist die Ernährung der Treibstoff, der entscheidet, ob dieser Motor rund läuft oder zu stottern beginnt. Und so wie der Trainer die richtigen Kampftechniken vermittelt und der Masseur verkrampfte Muskeln lockert, gibt es ausgebildete Fachpersonen, die einen individuellen Ernährungsplan erstellen können. Also lasst Euch hier helfen! Denn eine gut geplante Diät verhilft zu maximaler Leistung ohne Raubbau am Körper und ist aus meiner Sicht die Basis für jeden sportlichen Erfolg.

 

Text: Dr. Friedemann Schneider

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